Publikationen
Blutige Linien
- Autor(en)
- Michael Weigl, Gerhard Jelinek, Michael Weigl
- Abstrakt
Fernsehdokumentation in der Reihe "Zeit.Geschichte", ORF III zu den negativen Auswirkungen der kolonialen Grenzziehung im Gefolge des ersten Weltkrieges, hier: zwischen Frankreich und Großbritannien. Die von politischen Interessen getriebene Neuschaffung von Staaten in der Levante und auf der arabischen Halbinsel ohne Berücksichtigung ethnischer und historischer Zusammenhänge und Wünsche der betroffenen Ethnizitäten führte direkt zum Nahostkonflikt, der spätestens nach der Schaffung des Staates Israel 1948 in einer blutigen Auseinandersetzung, deren Auswirkungen sich bis in die Gegenwart des 21. Jahrhunderts in latenten und offenen Konflikten zeigen, mündete.
Die Dokumentation setzt an der historischen Wurzel dieser Konflikte an und zeichnet die Interessen der beteiligten Mächte nach. Neben den Briten und Franzosen spielte auch das im Niedergang befindliche osmanische Reich und die österreichische Doppelmonarchie eine entscheidende Rolle. In der Instrumentalisierung großer Gelehrter und Forscher zu Zwecken der politischen Beeinflußung der arabischen Bevölkerung der Region, die jahrhundertelang unter osmanischer Herrschaft gelebt hatte, warben die kriegführenden Parteien auch mit unlauteren Mitteln um deren Loyalität. Während die Briten den sagenumwobenen "Lawrence of Arabia" für ihre Interessen instrumentalisierten, stützte sich Österreich-Ungarn auf den Wiener Universitätsprofessor Alois Musil. Beide versuchten, die Loyalität der Araber mit zweifelhaften Versprechungen (z.B. das Versprechen eines arabischen Einheitsstaates) auf ihre Seite zu ziehen.
Genau diese fragwürdigen Unternehmungen der gennanten europäischen Großmächte beleuchtet die Dokumentation im Detail und zeigt ihre fatalen Konsequenzen auf, die bis in die gegenwärtigen politischen Konfrontationen des zeitgenössischen Nahen Ostens hinein weiterwirken. Dieses Thema wird duch die Einbeziehung einer Reihe von Interviews mit Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Fachperspektiven dargestellt.
Der Beitrag des Autors besteht in einer differenzierten Auseinandersetzung mit Alois Musil, der während des ersten Weltkrieges sowohl Universitätsprofessor an der Wiener katholisch-theologischen Fakultät mit dem Forschungsschwerpunkt auf Nordarabien (Arabia Petraea) und der arabischen Halbinsel war, aber gleichzeitig auch als besonders enger Vetrauter des Kaiserhauses - vor allem von Kaiser Karl und dessen Ehefrau Kaiserin Zita - galt und in deren Auftrag versuchte, die arabischen Stämme, vor allem die Beduinen, zu einen und zur Bewahrung des Friedens zu bewegen. Seine wissenschaftlichen Kenntnisse der Region und die Tatsache, daß er fließend arabisch sprach und seit langem in der Region mit der Bevölkerung engen Umgang pflegte, sollte den Kollaps des "kranken Mannes am Bosporus" verhindern helfen und die Interessen der bereits im Zerfall befindlichen österreichisch-ungarischen Monarchie in der Region befördern. Völlig konträr dazu versuchte "Lawrence of Arabia" als Agent des British Empire, die Stämme im Interesse der Briten zum Aufstand aufzuwiegeln und so dem osmanischen Reich den Todesstoß zu versetzen. Das gelang letztlich und führte dazu, daß sich die Briten fast den gesamten Nahen Osten in ihrem politischen Interesse einverleiben konnten, den Traum von einem arabischen Einheitsstaates zu beenden und die moderne Grenzziehung durch die Fragmentierung des gesamten Raumes einzuleiten. Damit endete und zerfiel das osmanische Reich endgültig. Alois Musils' politische Interventionen verliefen sich ebenfalls im Sand. Die modernen Staaten der Region wurden ohne Berücksichtigung von historischen, ethnischen oder kulturellen Traditionen und politischen Unvereinbarkeiten durch das Ziehen von "blutigen Linien" auf einer Landkarte geschaffen. Damit wurden die Konflikte späterer Zeiten - und der Gegenwart - grundgelegt.
Im Zuge der Dokumentation über diese "blutigen Linien" wurden einzelne Szenen aus Musils Aktivitäten im Sinne eines "Doku-Dramas" nachgestellt. Der Autor beriet das Redaktionsteam auch hinsichtlich der szenischen Umsetzung der ausgewählten Passagen von Musils Begegnung mit "seinen" befreundeten Stämmen und stellte seine private Originalkarte Arabiens, die Musil über die Jahre geschaffen hatte, zur Verfügung.- Organisation(en)
- Institut für Bibelwissenschaft
- Externe Organisation(en)
- ORF III
- Publikationsdatum
- 10-2019
- ÖFOS 2012
- 601014 Neuere Geschichte, 601022 Zeitgeschichte, 601005 Europäische Geschichte, 601020 Regionalgeschichte
- Schlagwörter
- Link zum Portal
- https://ucrisportal.univie.ac.at/de/publications/fbba632a-129f-46c0-84c6-8cffab3f5aac